Hypocras – der Glühwein des Mittelalters

GLÜHWEIN gehört in Deutschland zu jedem Weihnachtsmarkt – natürlich auch zu unserem (zur Veranstaltung am 09. und 10. Dezember 2017). Aber wussten Sie, dass gewürzter Wein eine jahrtausendelange Tradition hat? Archäologische Funde brachten Reste in Amphoren und Krügen aus vorchristlicher Zeit zutage. Aus dem antiken Rom sind sogar drei Rezepte dafür erhalten und aus dem Mittelalter noch viele weitere.

Würzwein galt nicht (nur) als Genuss-, sondern vor allem auch als verdauungsförderndes Heilmittel. In diversen Menüfolgen des Hochmittelalters findet er sich deshalb im letzten Gang. Ob diese „Medizin“ ursprünglich kalt oder warm getrunken wurde, wissen wir nicht. Einen Hinweis darauf, dass sie nicht nur zur Zubereitung erhitzt, sondern auch heiß getrunken werden sollte, gibt lediglich der Zusatz in einem der ersten Rezepte, dass man den Hypocras beim Filtern nicht erkalten lassen solle.

Damals wie heute ist es vor allem Zimt, der den typischen Geschmack von Glühwein ausmachet. Die weiteren Gewürze variierten im Mittelalter noch stärker als heute. In den historischen Rezepten wurden als weitere Zutaten unter anderem Narde, Muskat, Ingwer und Paradieskörner genannt. Zudem unterschied man zwischen Hypocras, der mit Zucker und Rotwein zubereitet wurde, und Claret, der stattdessen mit Honig gesüßter Weißwein war.

Um die Gewürze aus dem Wein zu filtern, nahm man sehr feine Siebtücher her, wie sie auch Apotheker nutzten. Diese waren dann vermutlich auch Namensgeber für das Getränk: Die Bezeichnung HYPOCRAS für den Filter wurde wahrscheinlich einfach übernommen.

Zwei der ersten mittelalterlichen Rezepte finden sich in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, dem so genannten Ménagier de Paris. Die Mengenangaben sind nur Annäherungswerte. Im Mittelalter variierten die Maße von Ort zu Ort zum Teil sehr stark.

 

Zutaten Rezept 1:

Für die Gewürzmischung:
1 Quarteron (125 g) Zimt
½ Quarteron (62,5 g) gemahlener Zimt
1 Onze (30 g) geschälter Ingwer
1 Onze (30 g) Paradieskörner

1 Sizain (5 g) Muskat und Galgant zusammen
1 Quart (3,2 l) Rotwein
2 Quarteron (250 g) Zucker
½ Onze (15 g) oder mehr der Gewürzmischung

Zutaten Rezept 2:

5 Drames (9 g) Zimt
3 Drames (5 g) Ingwer
1 ¼ Drames (2 g) Nelken, Paradieskörner, Galgant, Muskat und Narde zusammen, wobei die Menge mit jedem Gewürz etwas abnimmt
1 Livre und ½ Quarteron (560 g) Zucker
1 Quart (3,2 l) Rotwein

Der Autor betont hier extra, dass Zimt und Zucker dominieren sollten.

Zubereitung

Den Wein in einem Topf erhitzen und den Zucker darin auflösen, dann die Gewürzmischung zugeben. Anschließend so oft durch ein Siebtuch gießen, bis der Wein klar ist.

Anmerkung: Aus eigener Erfahrung wird der Hypocras noch geschmacksintensiver, wenn man ihn über Nacht ziehen lässt und erst dann abseiht.

 

 

Originaltext, Edition von 1846 von Jerome Pichon

Ypocras. Pour faire pouldre d’ypocras, prenez un quarteron de très fine canelle triée à la dent[1258], et demy quarteron de fleur de canelle fine, une once de gingembre de mesche trié fin blanc et une once de graine de paradis, un sizain[1259] de noix muguettes et de garingal ensemble, et faites tout battre ensemble. Et quant vous vouldrez faire l’ypocras, prenez demye once largement et sur le plus de ceste pouldre et deux quarterons de succre, et les meslez ensemble, et une quarte de vin à la mesure de Paris.

Et nota que la pouldre et le succre meslés ensemble, font pouldre de duc.

Pour une quarte ou quarteron[1260] d’ypocras à la mesure de Bésiers, Carcassonne, ou Montpellier, prenez cinq drames de canelle fine triée et mondée, gingembre blanc trié et paré, trois drames: de giroffle, graine, macis, garingal, noix muguettes, espic nardy[1261], de tout ensemble une drame et un quart: du premier le plus et des autres en dévalant moins et moins[1262].

Soit faicte pouldre, et avec ce soit mis une livre et demi quarteron, au gros poix[1263], de succre en roche broyé, et meslé parmi les autres devant dictes espices et mis; et soit du vin et le succre mis et fondu en un plat sur{v. 2, p.249} le feu, et mis la pouldre, et meslez avec: puis mis en la chausse, et coulé tant de fois qu’il rechée tout cler vermeil.

Nota que le sucre et la canelle doivent passer comme maistres[1264].

 

[1258] Goûtée, comme cela est dit p. 196, pour la morue?
[1259] Un sixième d’once plutôt que six noix.
[1260] Var. B, quarton.
[1261] Spicus nardi, nard.
[1262] En allant toujours en diminuant, c’est-à-dire qu’il y ait moins de graine de paradis que de girofle, moins de macis que de graine, etc.
[1263] La livre en usage dans le Midi n’étoit que de treize onces; l’auteur ayant au commencement de ce paragraphe adopté la mesure de Béziers, prévient ici qu’il reprend les poids en usage à Paris.
[1264] Dominer.